Notenpranger

Schule stellt schlechteste Schüler mit Foto aus



Angeblich um seine Schüler zu motivieren, ließ ein englischer Schulleiter die Fotos von 30 Elftklässlern in der Schulkantine aufhängen. Ihre Gemeinsamkeit: Alle hatten in einer Probeklausur versagt - und das sollte ihnen eine Lehre sein.



Zwei Tage hingen die 30 Porträtfotos in einer Schulkantine im Süden Englands, dann verschwanden sie wieder - nachdem Eltern und Schüler heftig dagegen protestiert hatten.


"Es ist, als ob Schüler gemobbt werden, damit sie bessere Noten schreiben", sagte die Mutter einer 15-jährigen Schülerin. Nach dem Vorfall wolle ihre Tochter nun gar nicht mehr zur Schule gehen. "Sie ist in meinen Augen kein Minderleister, sie hat in ihrem Leben viel erreicht", sagte Mutter.

Das Foto des Mädchens hing mit den Bildern anderern Schüler an jener Wand, die in England inzwischen nur noch "Wall of Shame", Wand der Schande, heißt. Immerhin rund 900 Schüler hat die Schule, ziemlich viele potentielle Betrachter also. Dabei will Schulleiter Chris Harris eigentlich nur Gutes im Sinn gehabt haben, als er die Bilder der Elftklässler unter dem Schriftzug "Year 11 Target Board" an die Mensawand kleben ließ.

Die Schüler auf der Zieltafel hatten bei einer Probeklausur für das GCSE-Examen besonders schlecht abgeschnitten. Alle hatten die Note C geschrieben, also befriedigend, oder schlechter. Das General Certificate of Secondary Education ist vergleichbar mit dem deutschen Realschulabschluss, es entscheidet mit über die berufliche oder schulische Zukunft.

"Die Absicht war gut"

"Es wurde aus dem Wunsch heraus getan, die Schüler zu unterstützen und ihnen zu helfen, nicht um sie zu demütigen", sagte Schulleiter Harris der Wochenzeitung "The Oxford Times". "Die Absicht war gut, aber es hatte offensichtlich den gegenteiligen Effekt."

Er und seine Mitarbeiter hätten die Schüler eigentlich motivieren wollen. Mit einer ähnlichen Maßnahme war es der Schule gelungen, die Fehltage zu reduzieren. Dazu hätten die Lehrer ihre Schüler in verschiedene Gruppen aufgeteilt, je nachdem wie oft sie gefehlt hatten. Diese Grafik sei damals ebenfalls ausgestellt worden, allerdings ohne Fotos.

Ob der Pranger auch zu besseren Noten bei den GCSE-Prüfungen im Mai und Juni geführt hätte, lässt sich nun natürlich nicht mehr herausfinden, denn inzwischen ist die für die Schüler peinliche Zieltafel von der Kantinenwand abgenommen worden. England diskutiert nun darüber, ob der Schaden auch von Dauer sein könne, so zumindest befürchtet es die Mutter einer betroffenen Schülerin in der Tagezeitung "The Telegraph". "Die Schule sollte sich schämen. Sie sollten Kinder nicht zur reinen Statistik verkommen lassen", sagte die Frau.

Auch Lokalpolitiker haben sich dem Thema Pranger inzwischen angenommen. Melinda Tilley, im örtlichen Kreistag für Schulen zuständig, sagte, auch sie glaube an die guten Absichten des Lehrerkollegiums. Leider sei "die Sache nach hinten losgegangen". Mike Curtis vom Nationalen Schulleiter-Verband riet beim nächsten öffentlichen Motivationsversuch zu einer positiven Botschaft: "In den meisten Schulen versuchen wir, die Erfolge zu feiern und nicht das Versagen zu betonen."

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