Warum wir uns Namen einfach nicht merken können

Nelson Dellis kann sich innerhalb kürzester Zeit 99 Gesichter mit dazugehörigen Namen merken. Mit diesem Können ist er leider eine Ausnahme. Warum haben wir so ein schlechtes Namensgedächtnis?

In einem buchstäblich unvergesslichen Wettkampf hat der 27-jährige Nelson Dellis aus Florida in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge die US-Gedächtnismeisterschaften gewonnen. Der passionierte Bergsteiger setzte sich bei dem Event in New York vor hunderten Fans und Anhängern gegen sieben Finalisten durch. Die Kandidaten mussten sich unter anderem 99 Gesichter und die dazugehörigen Namen merken.


Was für Nelson Dellis anscheinend kein Problem ist, fällt vielen Menschen unheimlich schwer. Doch warum können wir uns Namen oftmals nicht merken? Namen seien einfach sehr abstrakt, sagt der Neuropsychologe Josef Kessler von der Uniklinik Köln . Gesichter könne man sich zum Beispiel viel besser merken. Es gebe sogar eine Region im Gehirn, die eigens für das Erkennen von Gesichtern zuständig sei. Bei Namen dagegen: Fehlanzeige.

Dass man sich Namen schlechter merken könne, habe auch mit der Evolution zu tun. „Zuerst war es das Gesicht, und dann kam sehr spät der Name dazu.“ Schon bei Schimpansen lasse sich nachweisen, dass sie Gesichter unterscheiden könnten.

Auch die Bedeutung, die eine Person für einen habe, spiele eine Rolle, sagt Kessler. „Wenn jemand sich nur kurz auf einer Party vorstellt - der kommt und der geht. Wenn es mein künftiger Vorgesetzter ist oder wenn er sonst irgendwie eine Relevanz für mich hat, dann ist die Verarbeitungstiefe natürlich größer.“

Gutes Namensgedächtnis ist eine Frage des Trainings

Wie gut das Namensgedächtnis im Einzelfall sei, hänge unter anderem von der Veranlagung und von früher Förderung ab. „Wir kommen alle mit einer gewissen Begabungsbreite auf die Welt.“ Wenn aber schon die Eltern großen Wert darauf legten, dass ihr Kind sich Namen merke, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es diese Fähigkeit auspräge, sagt Kessler. Daran sehe man schon: Ein gutes Namensgedächtnis sei letztlich auch eine Sache des Trainings.


Die Memory Clinic im Essener Elisabeth-Krankenhaus ist spezialisiert auf Gedächtnistraining. Carsten Brandenberg macht dort Gedächtnistests. Viele seiner Patienten klagen darüber, dass sie sich die Namen nicht merken können, die zum Beispiel in einer Konferenz genannt werden. Das sei aber meistens nicht weiter verwunderlich, sagt Brandenburg: „Unser Kopf ist manchmal einfach voll, im wahrsten Sinne des Wortes.“

Brandenberg hat zwei Tipps parat, mit denen man sich vielleicht helfen kann. „Das Gehirn arbeitet in erster Linie mit Bildern“, sagt er. Eine Möglichkeit, sich Namen besser einzuprägen, sei deshalb, sie mit einem konkreten Bild zu verbinden. „Herr Müller, der den Sack auf dem Rücken trägt“, sei so eine Eselsbrücke. Außerdem solle man beim Kennenlernen die Hand des Gegenüber schütteln und seinen Namen einmal laut aussprechen. Dann sei der Name später leichter abrufbar.

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